Herr Töpel, Sie treten am 1. März 2013 mit Ihren Töpelkings in der
Mannheimer Pfiingstbergschule auf. Schule ist ein eher ungewöhnlicher
Veranstaltungsort. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer eigenen
Schulzeit?
Ich gestehe, ich bin ausgesprochen gerne zur Schule gegangen.
Als Kabarettist arbeiten Sie mit dem „Instrument“ Sprache, Sie
gelten heute als feinsinniger und intellektueller Spieler mit Worten und Bedeutungen, Sie gehen sehr sorgsam mit Sprache um. Wie war das damals
im Deutschunterricht? Wurde dort vielleicht sogar der Grundstein für
Ihre heutige Karriere gelegt?
Deutsch gehörte neben Geschichte und Politik zu meinen Lieblingsfächern.
Wobei mich immer Texte mit mehreren Ebenen fasziniert haben. Und so war
mein erster Auftritt meine Abiturrede. Wegweisend. Aber das ist eine
andere Geschichte.
Wenn Sie heute in der Straßenbahn fahren und der Sprache und den
Unterhaltungen nicht nur der jugendlichen Menschen lauschen,
Gesprächsfetzen wie „Isch geh Mannheim“ hören – wie geht es dem
Sprachkünstler dabei? Sprechen wir angesichts der Vielfältigkeit der
Nationen in 10, 20 oder 30 Jahren alle so?
Ohne in Kulturpessimismus verfallen zu wollen, dieser Niedergang ist
gräßlich und fatal. Vor allem die damit einhergehende Vereinheitlichung.
Dabei ist Sprache der entscheidende Wegweiser auf der Suche nach uns selbst.
Sie arbeiten in Ihren Programmen viel mit Dialekten. Glauben Sie, dass
Ihre Programme auch in „reinem“ Hochdeutsch, eigentlich müsste man
ja „oberdeutsch“ sagen, funktionieren würden?
Begonnen habe ich mit hochdeutschen Programmen, aber unser Dialekt war
stets ein Bestandteil. Es hat dann allerdings eine ganze Weile gedauert,
bis ich dem mehr Raum und irgendwann ganze Programme gewidmet habe. Um
es pathetisch auszudrücken, ich bin über die Sprache nach Hause
gekommen. Interessant ist die Beobachtung, egal, wo ich spiele, sobald
ich Mundart einsetze, tritt eine Veränderung ein. Selbst wenn die
Zuschauer nicht alles verstehen, es erreicht sie anders. Unmittelbarer.
Vor allem in Süddeutschland gibt es eine ausgeprägte und gut
organisierte „Mundart-Szene“ in Literatur und Musik. In Bayern etwa
die „Mundart Ageh“, Kultur und Sprache werden regelrecht „gehegt
und gepflegt“, die Tradition eines „Kraudn Sepp“ hochgehalten; bei
den Pfälzern ist es ähnlich, die Rockband „Grabowski“ aus
Frankenthal war und ist nicht nur in der Pfalz Kult, es gibt gemeinsame
Veröffentlichungen wie zB „Unser Ding“ und auch die Schwaben holen
kräftig auf, auch wenn sie zB im Bereich der Musik noch nicht aus dem
Schatten Wolle Kriwaneks herausgetreten sind. Wie erklären Sie sich das
gute Zusammenspiel von Dialektsprache und Rock-, Pop- und vor allem der Bluesmusik, aber auch in der Liedermacherei?
Schwer zu sagen. Mundart ist eben direkter, dabei vielschichtiger,
lautmalerischer, kommt schon vom Klang musikalischer daher als die
Hochsprache. Die wirkt sehr oft gekünstelt oder schlagerhaft, was
oftmals nur eine härtere Musikrichtung kaschiert. Es fällt mir ungleich
leichter, Songtexte in Mundart zu schreiben.
Bei manchen Ihrer Lieder – ein gutes Beispiel mag das Stück „Fa
Umme“ sein - habe ich den Eindruck, dass die (Dialekt-)Stimme die
Aufgabe eines zusätzlichen Instruments übernimmt. Erwin Ditzner spielt
dabei ein unglaublich groovendes Schlagzeug, unterstützt und getragen
von einem starken Bass Michael Herzers – und dann eben dieses
langgezogene, überakzentuierte „Fa umme“ … als Hörer glaubt man
wie selbstverständlich, dass das genauso sein muss; vielmehr: es kann
auch gar nicht anders sein?!?!
Mittlerweile überziehe ich unseren Dialekt regelrecht. Wie eine
Weiterentwicklung. Das hat irgendwann begonnen und hängt damit zusammen,
dass ich Musik als Sprache begreife und Sprache als Musik. Das Spielen
mit Klängen, mit unseren Lauten bietet sich einfach an. Im Kern sind das
Liebeserklärungen an unsere Sprache.
Michael Herzer hat übrigens auf den feinsinnigen Unterschied in der
„Übersetzung“ dieses Wortes hingewiesen. „Fa umme“ bedeutet
„kostenlos“ und nicht „umsonst“. Glauben Sie, dass solche feinen
Unterschiede heute vom „breiten“ Publikum noch wahrgenommen werden?
Das Publikum wird allzu oft unterschätzt und unterfordert.
Wenn Sie sich in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis bewegen – in
welcher Sprache – hochdeutsch, kurpfälzisch oder auch mal
„kurpfänglisch“ unterhalten Sie sich? Ich bewundere immer die Menschen, die sich mit mir
auf „hochdeutsch“ unterhalten und quasi im gleichen Moment, kommt zB
ein Familienmitglied dazu, wie selbstverständlich in den heimatlichen
Dialekt fallen, um dann mit mir wieder „hochdeutsch“ weiter zu
reden. Woher kommt dieser Automatismus?
Das ist bei mir tatsächlich anders. Meine Muttersprache ist und bleibt
Hochdeutsch. So bin ich aufgewachsen. Und bis 20 habe ich kein Wort
Dialekt gesprochen aus Furcht, jeder hört sofort, der kann es nicht.
Irgendwann habe ich entdeckt, es ist in mir drin. Und ich lasse das,
diese andere Seite in mir, auf der Bühne 'raus. Eine Entdeckung, die
mich auch immer wieder überrascht. Ich texte, ich denke anders im
Dialekt. Aber ich muß keinen fragen. Ich muß nur in mich hineinhorchen.
In Berlin hat sich der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse über
die Ausbreitung der „schwäbischen Kehrwochenmentalität“ beschwert.
Was steckt da Ihrer Meinung nach dahinter? Könnte das ein Thema für
Sie werden?
Nein. Dieses "bei uns ist es am schönsten, unser Dialekt ist der beste",
das ist blanker Unsinn und befördert Tümelei. Ebenso wenig wie es darum
gehen kann, Mundart Sprechende als Trottel darzustellen. Natürlich geht
es um Identität, und über die Sprache kann man der Nivellierung
allerorten entgegenwirken. Vor allem aber ist diese Vielfalt der
Sprachen bereichernd, vor allem kulturell; jeder Niedergang ein Verlust.
Wie und wo finden Sie überhaupt Ihre Themen? Auf der Straße, beim
Einkaufen, in der Zeitung ….?
In der Zeitung nicht. Ich war ja in einem meiner früheren Leben lange
beim Südwestfunk. Das spätestens hat meine Mediengläubigkeit erfolgreich
gedämpft. Ich finde meine Themen im Leben. Das ist der Vorteil, wenn man
schon eine Weile auf der Welt ist, mit offenen Ohren und Augen, und sich
liebend gerne seine Gedanken macht.
Vom Fundstück, von der Idee zur Pointe – wie ist der Weg?
Bei mir steht immer am Anfang der Inhalt: was will ich sagen. Dann kommt
die Überlegung, in welche Form gieße ich die Gedanken. Von Pointen im
engen Sinne komme ich immer stärker ab.
In den TÖPELKINGS finden drei Musiker zusammen, die aus den
unterschiedlichsten Ecken kommen. Sie kennt man als klavierspielenden
Kabarettisten, Masterbabbler und Bluesphilosophen; Herzer hat viel
Theater- und Filmmusiken geschrieben, mit Orchestern gespielt, an der
Musikhochschule unterrichtet, in Rockbands gespielt; und Ditzner, vom
Jazz her kommend, tummelt sich in vielen musikalischen Stilen. Können
Sie etwas zum „Passungsprozess“ erzählen? Wie fanden die
TÖPELKINGS zusammen?
Musik ist für mich außerordentlich wichtig. In der Regel habe ich bei
Songs zuerst die Musik. Und mich treibt schon lange die Idee um, meine
Songs mit Musikern zu spielen. Es gab ein paar Versuche, die mir nie
wirklich behagt haben. Erwin kenne und schätze ich schon ewig. Am Anfang
habe ich ihn, einer Eingebung folgend, eingeladen, bei einigen Songs
mitzuspielen. Als das sehr gut funktionerte, lag der Kontrabass nahe.
Erwin brachte mich auf Michael, auch der hatte meine große
Wertschätzung. Und so lud ich eines Tages beide zu mir nach Hause ein.
Mit Instrumenten. Wir haben eine Stunde geredet, Kaffee getrunken und
dann keine zwei Minuten gespielt, und ich wußte augenblicklich: das
isses! Ich bin immer auf der Suche nach dem Sound, nach dem guten,
stimmigen Klang. Dann sind wir ins Studio und haben in kürzester Zeit
Nummern eingespielt, die die beiden nur teilweise, manchmal gar nicht
vorher kannten. Es ist ein großes Glück, eine Fügung. Ich muss nichts
erklären. Da ist ein ganz tiefes Verständnis füreinander.
Michael Herzer zeigt sich auf seiner homepage sehr angetan von Ihren
Texten. Wer trifft die Auswahl? Wird darüber diskutiert?
Nein, das sind ja meine Texte. Und ich weiß, was ich tue.
In welche musikalische „Schublade“ würden Sie das, was die
TÖPELKINGS machen, einordnen?
Ich glaube, dass uns etwas gelingt, was ich in der Musik für unabdingbar
halte: etwas Eigenes, Unverwechselbares. Keine bloße Ansammlung
hervorragender Instrumentalisten wie Herzer und Ditzner, sondern ein
Zusammenspiel, das uns immer wieder selber überrascht, wenn wir auch
nach längerer Pause auf die Bühne gehen, und es ist da. Keiner ist
austauschbar. Hier passt einfach alles zusammen.
Alle drei „Kings“ spielen in vielen unterschiedlichen Formationen,
Sie selber treten viel „solo“ auf. Spiegelt sich darin auch eine
gewisse gesellschaftliche Realität – von einem Job können immer
weniger Menschen leben?
Das spiegelt vor allem unsere jeweilige künstlerische Entwicklung.
Völlig unterschiedlich, individuell und gerade deshalb so fruchtbar im
Zusammenspiel. Hier muss sich auch keiner profilieren.
Ihre neue CD Ouappa uappa – das Cover zeigt eine badende
Menschengruppe im Meer. Eine Person steht etwas abseits von der Gruppe
– Bedeutungsvoll? Bedeutungslos? Mit etwas Phantasie könnte man
Ouappa uappa mit Wellenbewegung und den Geräuschen dazu
„übersetzen“ - auf was darf das Publikum am 1. März gespannt
sein?
Diese Menschen machen "Ouappa uappa". Und das, obwohl sie den Song nicht
kennen, ja, nicht einmal den Begriff - den es ja bis jetzt auch noch
nicht gab. Und die Person abseits staunt. Nein, vor allem liebe ich das
Photo, ich habe es im letzten Urlaub in Griechenland gemacht, es
transportiert eine Lässigkeit, die das Album hoffentlich hat.
Dieses neue Album bringt ein paar wichtige Neuerungen: Mundart mischt
sich mit Hochdeutsch und ich spiele nicht mehr Flügel, sondern E-Piano.
Das hat mein Songschreiben stark beeinflusst. Unsere erste CD "Fa umme"
enthielt nur Songs aus meinen Solo-Programmen mit Band-Arrangement. Nun
spielen wir viele Songs, die ich speziell für die Töpelkings gemacht
habe. Die zum Teil beim Jammen erst entstanden sind. Aber natürlich
spielen wir auch ein paar alte Nummern. Kein Konzert ohne "Fa umme".
Die Fragen stellte Werner Aust